8. Internationales Klangkunstfest Berlin 2011
SPUREN
SPUREN
Spuren suchen - Spuren hinterlassen - Spuren spüren
Jedes Alte trägt in sich den Keim des Neuen und jedes Neue beinhaltet Spuren des Gewesenen. Eine Handlung, eine Bewegung, eine Situation prägt sich der Welt und den Wesen ein und ist so immer weiter präsent, wenn auch vielleicht im Lauf einer sehr langen Zeit nur noch in winziger Dosis, als Spurenelement. Das Internationale Klangkunstfest Berlin hat 2011 vor, verschiedene Implikationen des Themas " Spuren" künstlerisch zu untersuchen, multiple Bedeutungsstränge und -schichten herauszuarbeiten und zu beleuchten. Das Festival ergänzt sich konzeptionell mit der Konzertreihe "KlangWelten ad hoc" zum Gesamtprojekt "Klangkunst in Mitte 2011- vermittelt"
Spuren suchen
Wie Indianer oder Detektive einer Spur folgen, möchten wir 2011 in Neuer und experimenteller Musik und Klangkunst Spuren suchen, Spuren der eigenen Musikgeschichte, Spuren anderer Kulturkreise – aktueller oder historischer Provenienz, Spuren der Region und ihrer Geschichte, ebenso auch Spuren, die am Aufführungsort von vergangener Zeit oder von andersartiger Nutzung und den Menschen künden. Dies zusammen soll eine am Ort und in der Zeit verankerte Rezeption akustischer Kunst ermöglichen - Aktuelle Musik in spezifisch inszenierten Kontexten verortet.
Das Festival thematisiert Spuren des Mittelalters durch das Ensemble mit Blockflötist Ivo Berg und Sängerin Marijke Meerwijk, afrikanische Einflüsse in Minimal-Music von Steve Reich, südamerikanische Wurzeln durch die Sopranistin Katia Guedes, sowie in Werken von Javier A. Garavaglia und Miguel Azguime, Soundscape Composition durch den Kanadier Claude Shryer, Musique concrète und Sound Art durch Thomas Gerwin, japanische Einflüsse durch Mayako Kubo und verschiedenste europäische Wurzeln und Zweige durch Luciano Berio, Hanna Hartmann, Knut Remond und Tomas Hulenvik, türkische Electro-Avantgarde durch Erdem Helvacioglu, Instanbul, Radiophones durch Antje Vowinckel, dazu unterschiedlichste Vertreter deutscher Avantgarde wie Herbert Eimert, Georg Katzer, Martin Daske, Ralf Hoyer, Lothar Voigtländer, Susanne Stelzenbach und Helmut Zapf - last not least hinterlässt die Musikgeschichte ihre Spuren im interpretatorischen Spiel mit neuester Technologie beim DigiEnsemble aus Berlin.
Spuren hinterlassen
Die Konzerte werden 2011 in ganz besonderer Weise inszeniert. Die Räumlichkeiten der klanglichen Ereignisse werden als große, sich wandelnde, begehbare Installation aufgefasst. Jedes Konzertereignis hinterlässt Spuren, sichtbare und hörbare. So verändern sich die Räume von Konzert zu Konzert immer weiter, immer mehr Spuren der vergangenen Ereignisse kommen hinzu, werden aber auch selbst wieder verändert. Die Konzerträume sind gleichzeitig unter der Woche und in den Pausen der Konzerte als Ausstellung zu besuchen. Sämtliche Partituren der während des Festivals (ur-)aufgeführten Kompositionen sind dort zu sehen. Die Aufführungen werden jeweils mit Kunstkopfmikrophon mitgeschnitten und werden bereits am nächsten Tag Bestandteil der Ausstellung, indem sie per Kopfhörer direkt vor der entsprechenden Partitur angehört werden können.
Auch einzelne Klänge verfangen sich als "Klangschatten" (einer sich ebenfalls stetig verändernden Klang-Installation) in einzelnen Ecken der Räume, verweben sich zu neuen Klangkonglomeraten, verändern und entwickeln sich. Der Prozess der Veränderung wird sowohl zeichnerisch, als auch fotographisch und filmisch sowie durch Tonaufnahmen dokumentiert.
Aus diesen Materialien soll dann nach dem Klangkunstfest ein Katalog mit CD und wenn irgend möglich, ein eigenes Film-Klang-Kunstwerk entstehen, das am selben Ort dann ca. ein halbes Jahr später zusammen mit dem Katalog präsentiert werden soll. Dies wird aber nur gelingen, falls sich eine Finanzierung dafür findet.
Spuren spüren
In dieser dritten konzeptionellen Säule des Klangkunstfestes soll die Wahrnehmung selbst thematisiert werden - und zwar in zwei Richtungen. Einmal und besonders wichtig: Jeder Abend wird ganz unterschiedlich inszeniert, jedes Stück wird möglichst "eigenartig" d.h. in einer ihm besonders angemessenen Art und Weise präsentiert. Dabei werden verschiedene neuartige Präsentations-Formate erprobt und reflektiert (Wandelkonzert, Raumklangbewegungen, 1:1-Konzerte, Interaktionen, Spontankomposition, Audiovisuelle Live-Elektronik u.a.). Die Inszenierung ist auch Thema der jeweiligen Einführung in die Werke des Abends zusammen mit den AkteurInnen und KomponistInnen. Die zweite Richtung der Untersuchung der Wahrnehmung rekurriert auf die Örtlichkeit des Festivals. Vor jedem Konzert werden auch ausgewählte Teile der Geschichte des Ortes und evtl. noch vorhandene, für das Publikum spürbare Spuren davon herausgearbeitet und vorgestellt. Hierzu gehört auch die Wahrnehmung und Würdigung der erst kürzlich, während des Festivals bewußt hinterlassenen Spuren (s.o.).
Diese Einbindung der Konzerte in eine prozesshaft gestaltete Ausstellung und die unterschiedlichen Herangehensweisen an die einzelnen Werke werden in einem Symposium untersucht und diskutiert, das unter der Leitung von Prof. Dr. Christa Brüstle stattfindet. Ein Soundwalk rundet das Symposium ab, indem die Besucher sich sinnlich mit den Klängen der Umgebung des Festivalortes auseinandersetzen.
Mit Werken von Miguel Azguime, Luciano Berio, Martin Daske, Herbert Eimert, Javier A. Garavaglia, Adam Geczy, Thomas Gerwin, Hanna Hartman, Erdem Helvacioglu, Ralf Hoyer, Tomas Hulenvik, Georg Katzer, Mayako Kubo, Mario Lavista, Steve Reich, Knut Remond, Claude Shryer, Susanne Stelzenbach, Antje Vohwinckel, Lothar Voigtlaender, Helmut Zapf
Akteure/Ensembles/Musiker/Performer-Innen:
Prof. Dr. Christa Brüstle (Ltg. Symposium), Ivo Berg+Mareijke Meerwijk (Blockflöte+Gesang), DigiEnsemble Berlin (I-Phone-Orchester, Ltg. Matthias Krebs), Ensemble Gefundene Objekte (Objekt-Improvisation), Thomas Gerwin (Live-Elektronik, div. Schlagwerk), Katia Guedes (Sopran), Kammerensemble ad hoc (Improvisations-Orchester), Dr. Ulrike Liedtke (Eröffnungsvortrag), Hartmut Sörgel (Verdichtungen, Live-Zeichnungen), Iris Sputh (Tanz), Antje Vowinckel (Audio-Performance)
Konzept und künstlerische Leitung, Klangregie: Thomas Gerwin
Eine Veranstaltung von inter art project in Kooperation mit Bezirksamt Mitte von Berlin Amt für Weiterbildung und Kultur, Institut für multisensoriale Kunst, RBB Kulturradio Berlin
Gefördert durch den Bezirkskulturfonds Berlin-Mitte.
Programm
Fr, 23. September 2011 > 20h Konzert 1 "Come Out"
Eröffnung: Kerstin Sittner-Hinz (Museumsleiterin, Fachbereichsleiterin Geschichte Bezirksamt Berlin-Mitte),
Einführungsrede: Dr. Ulrike Liedtke (Direktorin und Künstl. Leiterin Musikakademie Rheinsberg)
Claude Shryer "Ecoutez!" (Soundscape Composition), "Introitus" (11.JH), Luciano Berio "Gesti" (1966), "Organum" (12.JH), "Miserere" (Proportionsstudie 16.JH), Thomas Gerwin "N.N." UA, "Cantiga de Santa Maria" (13.JH), Mario Lavista "Ofrenda" (1986), Steve Reich "Come out" (Elektroakustische Musik), Ralf Hoyer UA (Musikvideo)
- mit Ivo Berg (Blockflöten), Marijke Meerwijk (Sopran), Ensemble Gefundene Objekte (Objekt-Performance)
So, 25. September 2011 > 15h Soundwalk
- ein geführter Ausflug in die "Symphonie des Alltags" - im Rahmen des "Weddinger Kultursommers"
Mi, 28. September 2011 > 20h Konzert 2 "KlangWelten ad hoc spezial"
I nternationale Ars Acustica von Miguel Azguime DE, Thomas Gerwin, Georg Katzer UA, Antje Vowinckel sowie Kurzhörspiel des RBB-Kulturradios: "Büro" von Lothar Stemwedel; Regie: Robert Schoen; mit Gottfried Breitfuß; RBB 2007 und "Der Traum des Dr. Siegmund Freud" von Antonio Tabucci; Regie: Jutta Schnirch; mit Rainer Strecker, Musik: Dietrich Petzold; RBB 2009
- mit Antje Vowinckel UA (Live-Performance)
Sa, 1. Oktober 2011 > 20h Konzert 3 "Fremde Nähe"
Werke von Javier A. Garavaglia "ARTE POÉTICA (II.STANZA)" DE (Elektroakustische Musik), Adam Geczy/Thomas Gerwin "Area Contra Punctus 6" (Video nach Musik), Knut Remond (Elektroakustische Musik) UA, Susanne Stelzenbach "visá-vis", Mayako Kubo "Hommage á Michiko" UA, Thomas Gerwin "Fern-rOHR" BE, Lothar Voigtländer (Elektroakustische Musik)
- mit Katia Guedes (Sopran), Thomas Gerwin (Schlagwerk, Live-Elektronik)
Do, 13. Oktober 2011 > 14-19h Symposium"Refléts"
Die Künstler des Festivals im Gespräch
14:00h Führung durch die Ausstellung
14:20h Herbert Eimert/Robert Beyer „Klang im unbegrenzten Raum“ (1952) >Elektronische Musik<
14:30h Gesprächsrunde 1
16:00h Thomas Gerwin „Im Fluss“ für 8 Smartphone-Spieler UA
mit dem DigiEnsemble Berlin (Ltg. Matthias Krebs)
16:15h PAUSE
16:45h Hanna Hartman „Att fälla grova träd är förknippat med risker” (2004) >Ars Acustica<
17:00h Gesprächsrunde 2
18:30h Hartmut Sörgel „Verdichtung“ UA
19:00h Schluss
Gesprächsleitung: Thomas Gerwin.
Die Uraufführung des DigiEnsemble Berlin wird von TV France 2 mitgeschnitten.
Sa, 15. Oktober 2011 > 20h Konzert 4 "Noten setzen"
Martin Daske "Noten setzen" UA, Erdem Helvacioglu (Electronic Music, Guitar) UA, Thomas Gerwin UA, Tomas Hulenvik (elektroakustische Musik) UA, Helmut Zapf
- mit dem Kammerensemble ad hoc (Thorsten Bloedhorn , Axel Haller <b, objects>, Thomas Gerwin <perc, live-electr>, Dietrich Petzold <vl, vla>, Claudia Risch <fl, sax>, Susanne Stelzenbach
) UA, Iris Sputh (Tanz)
Die Partituren- und "Spuren"-Ausstellung ist während der Konzerte und zu den normalen Besuchszeiten des Museums (So-Mi 10-17h, Do 10-20h) geöffnet.
Ort:
Mitte Museum, Regionalgeschichtliches Museum für Mitte Tiergarten Wedding in Berlin, Pankstr.47, 13357 Berlin
!! Stand 12.10.2011 - ÄNDERUNGEN VORBEHALTEN!!